Ziemlich traurig kam sie in unsere Werkstatt: Der Glockenträger dieser Laternenuhr war abgebrochen, die Pendelstange fehlte und vom Aufzugseil war nur noch ein Fetzen übrig. Wir stellten uns zunächst gar nicht die Frage, ob sich eine Restaurierung dieser Chamber Clock lohnen würde. Monatelang lag sie unbeachtet in der "Schlachtuhrenecke". Im März 2011 war dort mal wieder Ausmisten angesagt...einige Kuckucksuhren, Quarzstiluhren und bereits geschlachtete Hermle Uhrwerke wanderten in die Tonne und dann würdigten wir dieser Uhr einen zweiten Blick, wir öffneten auch mal die Türchen und schauten auf das Uhrwerk, sah schlimm aus, aber 08/15 war es nicht, Tho. Moore war mir zu dem Zeitpunkt nicht bekannt. OK, wegschmeißen kam keinesfalls in Frage, aber war diese Laternenuhr einer Wiederbelebung würdig? Kurze Internetrecherchen brachten zu Tage, dass ein ähnliches Stück mit Signatur Tho. Moore im Jahre 1999 bei Christies in London für 4600 £ versteigert wurde, somit war klar, dass diese Chamber Clock eine Chance bekommen sollte. Und wer die Restauration vornehmen sollte, war auch gleich klar: DER LEHRLING; so bleiben keine Kundenreparaturen liegen und woran kann man mehr lernen als an einem vermeintlichen Wrack??
Thomas Moore war der Sohn des Uhrmachers Roger Moore. Er lebte und arbeitete bis 1762 in Ipswich, einer Hafenstadt im Südosten Englands. Bekannt von Thomas Moore sind Laternenuhren wie diese hier, Spindeltaschenuhren mit Repetition und eine Standuhr mit Schlagwerk, Spielwerk und Kalendarium. Ob diese Uhr wirklich von Thomas Moore gefertigt wurde oder sie "nur" aus seiner Firma stammt, lässt sich natürlich nicht zweifelsfrei feststellen, jedenfalls handelt es sich um ein recht interessantes Stück...
Zunächst musste die Uhr vom gröbsten Dreck befreit werden, denn so wie sie vor der Restauration war, ließen sich weder Stifte noch Schrauben entfernen. Also Einweichen über das Wochenende in Kriechöl, damit am Montag eine Vorreinigung im Ultraschallreinigungsgerät erfolgen konnte. Aber vorher noch ein paar Fotos.
Das Uhrwerk selbst schlägt über eine Schlossscheibe gesteuert zu jeder vollen Stunde, oder es sollte dieses tun, zur Zeit lassen sich die Räder nämlich gar nicht bewegen. Auf Minuten oder gar Sekundenanzeige konnte man zur Zeit Thomas Moore verzichten, ein ablesen von Viertelstunden sollte später wohl möglich sein.
Nach der ersten Reinigung kann die Uhr demontiert werden, jetzt lassen sich endlich Zustand von Rädern, Trieben und Zapfen beurteilen. Hier gibt es jetzt einen Grund zur Freude: Außer kleinen Einlaufspuren in den Zapfen und etwas Verschleiß an den Ankerklauen sind zunächst keine Beschädigungen zu erkennen.
Doch dann gibt es einen kleinen Rückschlag, die Sperrfeder ist gebrochen. Das sollte aber bei dem einfachen Aufbau für einen Uhrmacherlehrling kein Problem darstellen. So eine Sperrfeder lässt sich in 1 bis 2 Stunden neu anfertigen und wieder einnieten.
Das Aufzugrad mit den Hebnägeln wird demontiert, das hätte sowieso gemacht werden müssen, und die neue Sperrfeder wird aus ferderndem Stah angefertigt und neu aufgenietet.
Da die Pendelstange fehlt und daher angefertigt werdem muss, ist es ja auch noch erforderlich, die Länge dieser zu berechnen. Dazu ist es nötig, die entsprechende Zahnzahlen des Räderwerkes abzuzählen. Klassisch Formeln aus "Die Uhrmacherschule - Fachrechnen für Uhrmacher" helfen hier leider wegen des ungewöhnlichen Zeigerwerkantriebes vom Aufzugrad erst einmal nicht weiter. Da ist etwas Hirnschmalz erforderlich - Fachrechnen im richtigen Leben. Ob die Berechnungen des Pendels richtig sind, zeigt sich dann nach der Uhrwerkmontage...
Die Pendelstange war ursprünglich aus Rundstahl gefertigt, das ist sicher da, noch ein abgebrochenes Reststück in der Pendellinse steckte.
Am leichtesten gestaltet sich dann die Neubeschaffung des 6mm Hanfseiles für den Aufzug - nur ein Anruf bei Flume
Die restliche Restauration gestaltet sich dann technisch relativ einfach aber trotzdem langwierig - 2 Tage reinigen und polieren. Aufgabe ist es jedoch, eine saubere Uhr ohne zuviel Hochglanz herzustellen, der man ihr Alter, trotz dem jetzt wieder technisch einwandfreiem Zustand, ansehen darf und soll.
Nach knapp einer Woche Arbeitszeit des Uhrmacherlehrlings kann sich das Ergebnis durchaus sehen lassen. Die Uhr ist sauber ohne überrestauriert zu wirken, alle Räder drehen frei und alle Hebel funktionieren wie sie sollen. Jetzt muss uns die Uhr einmal verlassen, damit das neue endlose Seil mit einem genähten Tackling versehen werden kann.
Auch der Blick auf die Uhr ist jetzt ein ganz anderer, schauen Sie selbst.
Nur Stundenzeiger war ja wohl damals OK, aber Modell Zeitlos muss ja wohl nicht sein. Der Klang des Schlagwerkes, der nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder erschallte, war gigantisch, das ist nichts für Reihenhäuser oder Etagenwohnungen. Wir versprechen, dass auch wieder EIN Zeiger auf die Laternenuhr kommt...
Während eines ersten Testlaufes auf unserem Selstbauprobierstuhl. Hurra sie läuft richtig und schlägt!!
Geschafft - die Laternenuhr ist fertig!
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